Zu Gast bei einer libyschen Familie
In einem kleinen Dorf inmitten der Steppe auf der Suche nach einem
Nachtlager für unseren „Führer“ Nashi und einen Stellplatz für uns
werden wir spontan von Salem zur Übernachtung in seinem Haus eingeladen.
Durch die Dunkelheit folgen wir ihm. Wir erreichen nach 5 Minuten Fahrt
auf der Piste, etwas abgelegen vom Dorf, das Gehöft.
Salem, 33, arbeitslos, Vater von zwei Kindern, bittet uns in einen Raum
neben der Scheune, ausgestattet mit Matratzen zum Sitzen und Anlehnen.
Andere Möbel gibt es nicht. Wir ziehen die Schuhe aus und machen es uns
gemütlich. Kaum haben wir uns hingesetzt gibt es Kaffee und Gebäck.
Salem bittet mich ins Haus. Ich bin sehr gespannt und aufgeregt. Eine
circa siebzigjährige in verschiedene bunte Tücher gehüllte barfüßige
Frau begrüßt mich sogleich mit einer sehr herzlichen Umarmung und
Handkuss. Salems Mutter. Im Gesicht, auf den Händen und an den Füßen
entdecke ich tribalartige Tätowierungen. Auch Hiba, SalemsFrau, freut
sich sehr über unseren Besuch.
Die „Oma“ führt mich in ein Zimmer, ebenfalls nur mit Matratzen
ausgestattet. Wir setzten uns. Hiba bringt Kaffee und Gebäck und lässt
uns wieder allein. Eine rege Unterhaltung beginnt. Die „Oma“ erzählt mir
ihre komplette Lebensgeschichte, vermutlich auf Arabisch, ich antworte
Deutsch. Aber irgendwie verstehen wir uns trotzdem. Als mir die „Oma“
zuerst das Hamam (Bad) zeigt und mir dann bedeutet, mich auf den
Matratzen schlafen zu legen, bedanke ich mich freundlich und erkläre
ihr, dass ich jetzt zu meinem Mann müsse. Sie folgt mir nach, schaut wo
ich hingehe, betritt aber den der Garagenraum nicht, denn der ist
„Männerrevier“.
Üblicherweise ist es in Libyen bei Zusammenkünften so, dass sich die
Frauen und Männer in verschiedenen Räumen gruppieren und nicht beisammen
sitzen. Mit mir machen sie eine Ausnahme, da ich erklärt habe, dass ich
„Oma“ und Hiba nicht verstehe.
Die Ausnahme ist nur von kurzer Dauer. Ein Dolmetscher wird schnell
gefunden und ich werde zurückgebracht ins „Frauenhaus“. Dort hat sich in
der Zwischenzeit die weibliche Verwandt- und Nachbarschaft mitsamt
Kindern versammelt. Alle sind freudig aufgeregt und stellen gleichzeitig
Fragen, die mir der Dolmetscher übersetzen soll. Dieser ist mit der
Situation völlig überfordert, zumal seine Englischkenntnisse
rudimentärer Art sind: „Why walk with car and not have house?“ (etwa:
„Warum macht ihr diese Reise und bleibt nicht zuhause?“), oder „Grandfather
ask“ („Die „Oma“ fragt dich“), „Come from here and sit“ („Hier kannst du
dich hinsetzen“), „Much children?“ („Wie viele Kinder hast du?“), „You
man and wife“ („Seid ihr verheiratet“) usw. Da es mit der verbalen
Unterhaltung allein nicht so recht klappen will, wird wild gestikuliert.
Alle rücken ihre Sitzpolster so zurecht, dass sie mich sehen können und
Ihnen nichts entgeht. Wir haben viel Spaß miteinander und auch ich
erfahre einiges: Die älteren Frauen waren früher mit ihrer Familie als
Nomaden unterwegs, ihre Männer sind schon vor einiger Zeit gestorben.
Sie sind jetzt (im Alter) müde vom vielen herumwandern, Weiden für die
Schafe und Ziegen suchen, vom harten, kargen Leben in der Wüste. Deshalb
können sie nicht verstehen, warum wir solange freiwillig durch Afrika
fahren und nicht lieber in einem Haus wohnen wollen. Heiraten und Kinder
zu haben ist sehr wichtig, nur ein Kind ist zu wenig. Fernsehgerät und
Handys sind Statussymbole und dürfen in keinem Haushalt fehlen. Frauen
ziehen sich schön an mit bunten Tüchern und Gewändern und sind stolz auf
ihren Goldschmuck…
Die Runde ist locker. Die älteren Frauen nehmen ihre Kopftücher ab,
bürsten und flechten sich ihre schwarz-roten seidig glänzenden langen
Haare. Ziegenbuttermilch und Schokogebäck gibt es zu Ehren des Tages. An
den strahlenden Gesichtern der Kinder sehe ich, dass dies etwas ganz
Besonderes ist.
Im Nu verfliegt die Zeit. Salem kommt und holt mich ab. Schade dass der
Abend nun zu Ende ist.
Wieder im Garagenraum erfahre ich von Kim, dass es für ihn eher
langweilig war. Die Männer haben sich meistens nur Arabisch
unterhalten und politisiert.
Dann gehen wir schlafen - in unserem Toyo. Nashi schläft im
„Männerrevier“. Am Morgen bekommen wir noch ein leckeres Frühstück,
Baguette, Käse, Oliven, Kekse und Kaffee. Wir verabschieden und bedanken
uns mit einem kleinen Geschenk für diese großzügige Gastfreundschaft.